Arbeitsmarkt Ökonomen rechnen mit weniger neuen Stellen und mehr Arbeitslosen

Frank Specht

26.05.2023 - 15:02 Uhr

Die schwachen Konjunkturaussichten erreichen den Arbeitsmarkt: Sowohl das Ifo-Beschäftigungsbarometer als auch das IAB-Arbeitsmarktbarometer sind im Mai gesunken.

Leeres Büro
Selbst die Dienstleister, die lange Personal aufbauten, zeigten sich bei Einstellungen zurückhaltender.
(Foto: Imago/Westend61)

Berlin - Die schwache Konjunkturentwicklung und die wirtschaftliche Unsicherheit im Angesicht von Ukrainekrieg und hohen Energiepreisen wirken sich auch auf den Arbeitsmarkt aus. Die Unternehmen werden zurückhaltender bei Neueinstellungen, zeigt das monatlich exklusiv für das Handelsblatt berechnete Ifo-Beschäftigungsbarometer. Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erwartet zudem, dass die Arbeitslosigkeit in den kommenden drei Monaten zunehmen dürfte.

"Weniger Neuaufträge und steigende Unsicherheit lösen Zurückhaltung bei den Unternehmen aus", kommentierte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe den jüngsten Rückgang des Beschäftigungsbarometers.

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Der Indikator, der auf den Personalplänen von rund 9000 Unternehmen beruht, ist im Mai auf 98,3 Punkte gefallen - nach 100,2 Zählern im Vormonat. Ein schlechterer Wert wurde zuletzt im Oktober 2022 gemessen.

Während sich in der Industrie und im Baugewerbe Einstellungs- und Entlassungspläne der Unternehmen schon seit Monaten etwa die Waage halten, gibt es nun auch im Dienstleistungsbereich einen deutlichen Dämpfer beim Personalaufbau.

Konjunktursorgen belasten Unternehmen

Weiter eingestellt wird im IT-Bereich, während Firmen im Grundstücks- und Wohnungswesen eher über die Streichung von Stellen nachdenken. Im Handel sank die Einstellungsbereitschaft auf den niedrigsten Wert seit März 2021. Hier zeigt sich die anhaltende Kaufzurückhaltung.

Am Donnerstag hatte das Statistische Bundesamt mitgeteilt, dass die Wirtschaftsleistung nach einem Rückgang im Schlussquartal 2022 auch im ersten Vierteljahr dieses Jahres gesunken ist.

Deutschland befindet sich damit in einer sogenannten technischen Rezession. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im Mai gefallen und zeigt wachsende Konjunktursorgen der befragten Führungskräfte.

Auch das Nürnberger IAB beobachtet deshalb einen Dämpfer bei der Einstellungsbereitschaft der Unternehmen, rechnet aber gleichwohl mit weiteren deutlichen Beschäftigungszuwächsen. Das Arbeitsmarktbarometer beruht auf einer Umfrage der Bundesagentur für Arbeit (BA) unter allen lokalen Arbeitsagenturen. Es ist nach einem stetigen Anstieg von September 2022 bis März 2023 nun zum zweiten Mal in Folge gesunken - von 102,6 Zählern im April auf 101,8 Punkte im Mai.

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"Der Höhepunkt der Energiekrise ist vorbei, aber die Folgen lasten auf der wirtschaftlichen Entwicklung", sagt IAB-Experte Enzo Weber. So haben es Arbeitslose zunehmend schwer, in den konjunkturell unsicheren Zeiten einen neuen Job zu finden. Der entsprechende Teilindikator des Barometers deutet auf eine weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit hin.

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen liegt laut IAB bereits wieder um knapp 180.000 Personen über dem Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2019. Der erwartete Anstieg der Arbeitslosigkeit hat aber auch damit zu tun, dass im Jahresverlauf immer mehr ukrainische Geflüchtete auf Arbeitssuche gehen werden, die aktuell noch an Kursen teilnehmen und deshalb in der Statistik noch nicht als arbeitslos gezählt werden.


Quelle: Handelsblatt